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Nach ziemlich genau 3,5 Jahren und fast 167.oookm war es letzte Woche an der Zeit sich vom V60 D6 AWD Plug-In Hybrid Pure Limited zu verabschieden, da bietet sich ein Endfazit natürlich an.

 

Das Hybrid-System

Bekanntermassen hat der D6 ein -immer noch- exotisches Hybrid-System. Die Vorderräder werden vom altbewährten 5-Zylinder Diesel mit 215PS über eine altbackene 6-Gang-Automatik angetrieben. An der Hinterachse werkelt ein 70PS E-Motor. Anders als bei anderen Hybrid-Fahrzeugen besteht zwischen den Motoren nur eine rein elektronische Verbindung. Prinzipiell sind somit drei Antriebsarten möglich. Reiner Verbrennerbetrieb als Fronttriebler, reiner E-Betrieb als Hecktriebler und Allrad, wenn beide Maschinen laufen. Diese Fahrzustände kann man -in Grenzen- selber auswählen, oder man überläßt die Wahl der Elektronik.

Eine oft auftauchende Frage zu dem Auto war immer: Wie funktioniert das Ganze, noch dazu mit einem Diesel, der ja eigentlich ein reiner Langstreckenmotor ist? Ich gebe zu, da anfänglich auch so meine Bedenken gehabt zu haben, doch bis zum Schluß funktionierte dies -fast- ohne Probleme. Der einzige Defekt war ein Lagerschaden in der Anlasser/Generator-Einheit. Das wurde zum Glück über Kulanz geregelt, wäre ansonsten ein fast 2k€ Schaden geworden. Auch mit inzwischen fast 170.oookm springt der Diesel wenn es erforderlich wird immer noch mit höchster Präzision und ohne Verzögerung an. Mein Porsche mit nichtmal 80TKM tut sich da klar schwerer.

Natürlich ist eine mehr als 4-fache Umrundung des Erdballs nicht spurlos am Auto vorbeigegangen, der Diesel ist noch etwas lauter und rauher als am Anfang und auch das Getriebe schaltet manchmal nicht mehr ganz so sanft, dies war aber bei meinen Vorgängerautos mit vergleichbaren Laufleistungen genau so. Auch in der E-Antriebseinheit ist nur eine marginale Ermüdung zu spüren, im Stop 'n Go Betrieb kann man minimal mehr Spiel beim Anrollen feststellen und auch der E-Motor ist leicht lauter geworden, trotzdem bin ich überrascht wie gut das Auto noch funktioniert, besonders wenn man bedenkt, das es sich um einen Wagen aus der allerersten 1000er Serie mit einer Technologie, die so -vom E-C30 abgesehen- für Volvo völlig neu war.

 

E-Reichweite

In der Werbung versprach VOLVO bis zu 50km mit einer Akku-Ladung. Das ist sogar praktisch erreichbar gewesen. Leider habe ich es diesen Sommer nicht mehr geschafft einen weiteren Vergleich zu fahren, bei KM-Stand 65.ooo konnte ich noch >50km erreichen. Allerdings muß man dazu auch passende Test-Bedingungen haben. Bei 18°C in der norddeutschen Tiefebene mit 60km/h auf leeren Landstrassen herumkullernd liessen sich über 50km herauskitzeln, im Normalbetrieb waren es eher 40 im Frühjahr/Sommer und 35 im Herbst/Winter. Niedrige Temperaturen belasten nunmal jeden derzeit verbauten Akku. Geladen wurde er nahezu ausschließlich zu Hause und an meinen Arbeitsstätten. Auf den Kundenfahrten war bisher keine hinreichende Ladeinfrastruktur vorhanden, da der Wagen auch nicht wirklich schnelladefähig ist habe ich deshalb normalerweise keine Ladesäulen aufgesucht. Womöglich haben Autos doch eine Seele und er ist beleidigt, das ich ihn abgebe, seit etwa 2 Wochen schmeißt er beim Laden öfter mal die Haussicherungen raus, ich bin mal gespannt, was das für ein Schaden sein mag. Das Original-Ladekabel hat im Sommer seinen Dienst quittiert, ich habe mir nun ein "echtes" Menekes-Kabel zugelegt, das war ein paar € günstiger als das mit VOLVO gelabelte. Beide Schäden wären bei einem normalen 36 Monate Leasing übrigens nicht bei mir aufgetreten.

 

Alltagsnutzen

Die Entscheidung für den V60 als Hybrid fiel vor 4 Jahren überwiegend aus dem Wunsch einen Plug-In Hybriden mit für mich wichtigen Merkmalen: Allrad, Diesel, halbwegs brauchbare Anhängelast, fahren zu wollen. Damals war der V60 D6 bei den Randbedingungen alternativlos und auch heute gibt es neben ihm nur den Audi Q7 E-Tron, der die für mich wichtigen Minimalforderungen erfüllt. Die wesentlichen Einschränkungen in Form eines erheblich kleineren Tanks und reduziertem Laderaum durch den Akku waren mir bekannt. Der Tank erwies sich über die Laufzeit als weniger großes Problem, die 45L nominell (max habe ich 51L getankt) reichten bei Eilfahrten etwa 400km, normalerweise waren immer 650-800km drin, also mehr als ausreichend. Der sehr kleine und besonders flache Laderaum stellte anfänglich kein großes Problem dar, da wir gleichzeitig für die Firma einen Mercedes Viano beschafft hatten, der also die innerbetrieblichen Transporte übernahm. Als wir den Bus dieses Frühjahr wieder abgaben stellte sich recht schnell heraus, das der V60 ein solches Fahrzeug nur mit Anhänger ersetzen kann. Besonders größere Kisten lassen sich aufgrund des flachen Laderaums über der Akku-Bank nur sehr schlecht transportieren, da oft keine zweite Reihe in die Höhe stapelbar ist. Im Vergleich zum vorher gefahrenen Mecedes ML in den z. B. neun große Säcke mit Pferdeeinstreu passten gingen in den V60 nur noch 4 davon hinein, obschon er rein von den Literzahlen nur etwa um 1/3 kleiner sein sollte. Ich kann allerdings nicht beurteilen, wie viel von der Ladeeinschränkung auf den Akku zurückzuführen ist, der V60 ist ohnehin nicht unbedingt als Lademeister verschrien. Ein echtes Ärgernis ist aber beim Laden die nicht bestellbare elektrische Heckklappenöffnung, bei Fahrzeugen in der Preisklasse in absolutes Unding. Dies gilt aber für alle V60 und hat nichts mit der Hybrid-Technik zu tun, genauso wie z. B. die seltsame Tankklappenentriegelung am Aramturenbrett, sodaß ich auch nach 250 Betankungen immer noch manchmal vor einem verschlossenen Tankdeckel stand, weil ich mal wieder vergessen hatte den Knopf zu drücken. Oder das ich die hinteren Kopfstützen umlegte, da ich in der total überladenen Mittelkonsole deren Taste, statt den "Save-"Knopf erwischte. Für jemanden, der einen Kombi eher aus optischen denn praktischen Gründen fährt ergibt sich aus der nachträglichen Hybridisierung des V60 aus meiner Sicht also keinerlei Einschränkung des Alltagsnutzens.

 

Verbrauch

Ich beginne mal mit den nackten Zahlen, das wird ein gefundenenes Fressen für die "Ich-habs-doch-schon-immer-gewußt-das-der-Hybrid-Kram-nix-taugt" Fraktion:

 

166531 km

10876,87 L Diesel

5352,1 kwh Strom

 

macht also im Schnitt 6,5L Diesel + 3 kwh auf 100km

 

Allerdings sind diese Zahlen nur die halbe Wahrheit. Der Fahrspaß, den so ein Hybrid-System abseits aller Geschwindigeitsrekorde bietet läßt sich nur recht schwer beschreiben, das muß man im Wortsinne selber erfahren.

 

Etwas durchwachsen ist die Bilanz, was die Zuverlässigkeit angeht. Liegen geblieben bin ich zwar "nur" wegen platter Reifen, aber im Laufe der Zeit mußte ein neuer Klimakompressor, ein Fahreraussenspiegelsfund eine komplette Starter/Generatoreinheit verbaut werden. Zudem zickte das Keyless-Entry zum Schluß Hin und wieder und beim Laden schmiss er manchmal die Haussicherung. Spannenderweis fingen die meisten Zipperlein an, als ein normales 36mon. Leasing bereits rum gewesen wäre.

 

Überraschend war der "erzieherische Charakter" des D6. Früher versuchte ich möglichst "Zeit-Rekorde" auf meinen Standard-Pendelstrcken zu erzielen. Ich fahre nun ein gutes Stück langsamer (ohne wirklich mehr Zeit zu brauchen) und erfreute mich an immer niedrigeren Verbräuchen. Ich reduzierte im Laufe des letzten Nutzungsjahres meine normale Autobahngeschwindigkeit von Tempomat 180 auf Tempomat 150, kam auf meinen 400km Standardstrecke etwa 5-10min später an, verbrauchte aber laut BC und per Tank belegt etwa 1,5L weniger auf 100km. Zudem machte es viel mehr Spaß zu probieren, wie früh man vor einer Ampel vom Fahrpedal gehen kann, anstatt mit Vollgas hinzuprügeln und eine ABS-Bremsung hinlegen zu müssen. Es war für mich selber kaum zu glauben wie schnell ich mir mit dem Auto eine "Öko-Fahrweise" angewöhnt hatte, nicht weil ich das irgendwie geplant hatte, sondern schlicht weil es Spaß brachte. Natürlich ist das eine andere Form von Fahrspaß, als mit Vollgas über eine Rennstrecke zu kacheln, aber so schwer es für manchen verstehbar sein wird, es ist wirklich spaßig die letzten paar KN aus einer Bewegung zu quetschen und so zu fahren, das man möglichst wenig Eneregie durch Bremsen vernichtet.

 

Alles in Allem war das Auto ein prima Begleiter, die meisten der Dinge die mich störten (keine E-Heckklappe, fummelige AHK, kleiner Laderaum) sind dem V60 zuzurechnen und nicht der Hybridisierung. Dafür bot er, insbesondere mit den super Sitzen des Pure-Limited einen überragenden Langstreckenkomfort. Der wildeste Ritt, den ich mit ihm fuhr war zu ein paar Kurz-Meetings. Gesamt war ich 20h aus dem Haus, davon reine Fahrzeit 15h in denen ich 1500km absolvierte. Als ich abends wieder zu Hause war, war ich zwar reichlich müde, aber weder Rücken noch Hintern oder Beine fühlten sich überstrapaziert an. Als ich ihn abgab, war er das erste Fahrzeug überhaupt, bei dem ich etwas mit mir haderte, ob ich ihn nicht doch hätte behalten sollen. Wenn er nur etwas mehr Laderaum, höhere Anhängelast und eine E-Klappe gehabt hätte, hätte ich ohne nachzudenken wieder einen V60 D6 bestellt und auf Cross-Country (wegen des höheren Fahrwerks) umbauen lassen.

 

Eines steht für mich inzwischen aber fest, das ich nie wieder ein Alltags-Auto mit reinem Verbrenner-Antrieb fahren werde. Um ein Haar hätte ich als seinen Nachfolger schon einen Tesla X bestellt. Ich erwarte aber in den nächsten paar Jahren noch bessere E-Auto-Angebote, sodaß der große Bruder des V60 D6 ein XC90 T8 für mich das Überbrückungsfahrzeug bis zu meinem ersten reinen E-Auto darstellen wird.

 

Ich hoffe der Neubesitzer hat genauso viel Spaß mit dem Wagen wie ich ihn hatte.